Demokratiebildung

Demokratie

Demokratie – eine prägnante und spannende Rundumbetrachtung von Dr. Michael Weigl

„Alles nicht so schlimm? Die Demokratie und ihre Feinde.“ So lautete der Titel des hochinteressanten Vortrags von Dr. Michael Weigl, einem viel gefragten, viel gehörten und viel zitierten Politikwissenschaftler von der Universität Passau. Dr. Michael Weigl entfaltete sehr präzise und gleichzeitig unglaublich anschaulich das gesamte Panorama dieses grundlegenden und fast immer ganz selbstverständlich verwendeten Begriffs, der unendlich viele Assoziationen auslöst. Und um seine Antwort auf die Frage „Alles nicht so schlimm?“ gleich vorwegzunehmen: Doch, ja, es ist schlimm. Die Demokratie hat sehr viele Feinde. Doch alles der Reihe nach:

Dr. Michael Weigl startete mit der klassischen Begriffsdefinition: Demokratie, altgriechisch, „Volksherrschaft“. Doch erschreckenderweise heißt Volksherrschaft nicht überall, dass das Volk der tatsächliche Souverän ist, so sah sich die DDR als Volksherrschaft, das NS-Regime, China, etc. Viele bekannte Zitate kursieren um diesen Begriff, drei davon analysierte Dr. Michael Weigl genauer. Sehr richtig liege -so Weigl – Abraham Lincoln, wenn er Demokratie 1863 definierte als: „Government of the people, by the people, for the people“. In aller Munde ist auch Churchills Ausspruch von 1947: „Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“ Demokratie ist nicht perfekt, es ist kein abstrakter Begriff, es geht vielmehr um ihre Funktion, d. h. um die Frage, welche Gesellschaft basierend auf welchen Werten umgesetzt werden soll. 2017 schließlich sagte Joachim Gauck: »Unsere Demokratie steht unter Druck. Aber sie ist nicht im Rutschen, sondern sie ist etabliert. Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass die (…)  Menschen (…) erwachen und begreifen, dass Demokratie in jeder Generation nicht neu erfunden, aber neu gesichert werden will.“ Dass Demokratie nicht für immer gesetzt ist, erleben wir tagtäglich, ganz drastisch in den USA, wo die Spaltung der Gesellschaft fast unüberwindbar geworden ist und die Demokratie auf dem Spiel steht.

Was macht eigentlich die Demokratie aus? Was sind ihre Grundsätze? Die Antworten darauf ergaben den zweiten großen, mit Beispielen aus der ganzen Welt und sehr aussagekräftigen, kritischen Bildern unterlegten thematischen Block im Vortrag. Ganz einfach aneinandergereiht lauten diese Grundsätze, hinter denen statt des Ausrufezeichen auch gleich mehrere Fragezeichen stehen könnten und kritisch diskutiert werden müssen.

Jeder ist gleich viel wert! Jeder ist sein eigener Herr! Jeder kann sich sicher sein! Jeder kann alles werden! Jeder ist ersetzbar! Jeder ist mächtig!

Denkt man diese Punkte zu Ende, ergibt sich nach Dr. Michael Weigl eine aktuelle Definition von „Volksherrschaft“ bzw. von unserer repräsentativen (liberalen) Demokratie. Folgende Merkmale zeichnen sie aus:

Jede und jeder kann sich ohne Unterschied an politischen Debatten beteiligen. Politische Ämter stehen jeder und jedem ohne Unterschied offen. Bürgerinnen und Bürger bestimmen in demokratischen Wahlen die Abgeordneten, die dann »im Namen des Volkes« agieren sollen. Der Abgeordnete wird verpflichtet auf das Allgemeinwohl, das im Dialog der pluralistischen Gesellschaft ermittelt wird. Der Abgeordnete ist in Art und Dauer ihrer Amtsführung abhängig vom Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.

Worin liegen nun die Bedrohungen für die Demokratie? Diese Frage umfasste den dritten Teil des Vortrags, der den Zuhörern schon die Sorgenfalten auf die Stirn malte, zumal den meisten vieles in dieser Deutlichkeit nicht bewusst war und erst mit den Ausführungen von Dr. Michael Weigl an Plastizität gewann. Als Feinde der Demokratie zählte Dr. Michael Weigl auf: Moralisierung und Rechthaberei, Diskriminierung, Ausgrenzung und Anfeindung, „Wir gegen die“, Desinteresse und Unwissenheit, Gewalt gegen das System, und schließlich der Glauben an die (Er)Lösung.

In der anschließenden Diskussion machten wir uns Gedanken darüber, weshalb Politik nur noch wenige erreicht, gerade, aber nicht nur bei den Jugendlichen auf Desinteresse stößt. Ein Grund liege nach Dr. Michael Weigl im sogenannten „Übersetzungsproblem“, d. h. wer übersetzt den vielen, die die Tagesschau, aber auch Politiker nicht mehr verstehen, diesen Fachsprachentext in ihre Sprache? Überlassen wir das social media und populistischen Parteien? Wer kann dieses Vakuum füllen? Es wurde auch deutlich, dass es letzten Endes immer am Volk liegt, an jedem und an jeder einzelne*n, wo er/sie sein/ihr Kreuz setzt, auf welche Demos er /sie geht, wie er mit anderen umgeht, etc. Das Volk, jeder einzelne, jede einzelne trägt Verantwortung für seine / ihre Entscheidung, dafür, wer an die Macht kommt und regiert und in welchem Regierungssystem wir leben: demokratisch, hybrid oder diktatorisch.

Ceren, Larissa und Yannick waren sich einig: „Es war sehr lehrreich, spannend, wir haben richtig viel dazugelernt!“ Luca fügte noch an: „Für jedes Argument, für jeden Punkt gab es das passende Bild und eine gut verständliche Erklärung, das hat mir gefallen.“ Obai fand es richtig gut, dass Dr. Michael Weigl über unterdrückte Minderheiten redete, über die Aleviten in der Türkei, die Uiguren in China, die oft nur eine Randerscheinung in den Medien seien. „Und dass eigentlich jeder oder jede Politiker*in werden kann, das war mir so nicht bewusst, ich dachte, da bräuchte man eine besondere Ausbildung, das war für mich eine erstaunliche Erkenntnis“, so Obai weiter. Und Gabriel resümierte das Auftreten von Dr. Michael Weigl sehr treffend: „Der war so motiviert und wirklich souverän, das hat mich überzeugt.“ Ja, es war wirklich ein sehr lehrreicher, ein sehr verständlicher, ein überaus unterhaltsamer und kurzweiliger Vortrag, vielleicht wurde der ein oder andere sogar ein bisschen aus seiner Lethargie herausgerissen und zum Nachdenken über die Demokratie, die so gar nicht selbstverständlich ist, angeregt. Danke, Dr. Michael Weigl!

Maria Gerteisz, M.A.