Schule ohne Rassismus-Schule mit Courage-Tag
„Woran glaube ich? Woran glauben wir?“
Der Thementag zum Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage-Tag
Am Donnerstag, den 22.02.2024 war es soweit: Unser Motto „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“, das als Schild an der Außenwand unserer Schule zu finden ist, sollte im Schulhaus ganztägig mit Leben erfüllt und für alle Schüler*innen*innen und Lehrer*innen in vielen Variationen erfahrbar werden.
Das Thema „Glaube“ drängte sich aus mehreren Gründen auf:
Mit seinem wissenschaftlichen und gleichzeitig sehr anschaulichen Vortrag zu dem fesselnden, aber alles andere als einfach zu fassenden Thema „Woran glaube ich? Woran glauben wir? – Über die Vielfalt (nicht-)religiöser Erfahrungen, Überzeugungen und Erscheinungen“ weckte er das Interesse nicht nur der Schüler*innen, sondern auch der Lehrer*innen.
Der Glaube hat viele Philosophen beschäftigt und zu unzählig lesenswerten Büchern animiert. Glaube ist nicht Wissen, er steht immer in einem Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Vernunft. Dennoch ist er für viele und vieles wichtig. So kann er Trost spenden, für ein gelingendes soziales Miteinander sorgen, politische Macht rechtfertigen und stabilisieren – in der Vergangenheit, aber auch in der Gegenwart. Der Glaube ist nicht beweisbar, er kann Armut, Bosheit und Grausamkeit nicht erklären und dennoch ist sein Einfluss ungebrochen.
Mit Blick auf die Landkarte verwies Prof. Hidalgo auf ein besonderes Phänomen: Konnte man seit den 1960er Jahren zunehmend eine Dualität zwischen einem säkularen Europa und der religiösen restlichen Welt feststellen, einen „Sonderfall Europa“ konstatieren, in dem die Religion, also primär das Christentum im Verschwinden war, viele Gläubige aus der Kirche austraten und Verbleibende in der Kirche als „Taufscheinchristen“ durchs Leben gingen, so kann man seit 9/11 eine Rückkehr der Religion bemerken, vor allem ein Erstarken jüdisch orthodoxer oder (fundamentalisitscher) islamischer Glaubensgemeinschaften, die infolge der Migrationsbewegungen auf Grund von Kriegen im Nahen Osten nach Europa gelangten und sich hier zum Teil unfassbar konfliktreich manifestierten.
Dieses Phänomen erforderte eine Neubewertung von Staat und Gesellschaft in ihrer Haltung zur Religion, denn jetzt lebe man, so der Philosoph Jürgen Habermas in einer „post-säkularen Gesellschaft“. Auch dazu gibt es viele hochinteressante Bücher, deutsche, französische, amerikanische, die Prof. Hidalgo zitierte und thesenförmig zusammenfasste. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt die weltanschauliche Neutralität des Staates als Bekenntnis zu Freiheit und Pluralismus, es soll die Vielfalt der Religionen respektiert und Religionsgemeinschaften als Kooperationspartner herangezogen werden.
Anders formuliert: Wertfrei leben wir nicht, denn in der Präambel des GG findet sich der normative Bezug zu Gott, aber jeder kann glauben, was der will, Art. 4 GG sichert jedem die Glaubens- und Gewissensfreiheit zu und wenn wir es schaffen, tolerant und auf Augenhöhe miteinander umzugehen, dann ist es möglich, nicht nur in Frieden zu leben, sondern wertvolle Impulse für das Zusammenleben in Vielfalt zu setzen.
Nach diesem konzentrierten und sehr dichten Vortrag, der viele Anregungen und Impulse zum Weiterdenken und Weiterlesen bot, folgten die vielfältigen und altersgerecht aufbereiteten Themen-Workshops für alle Klassen, die die überaus sympathischen und engagierten Student*innen sehr, sehr gründlich und ideenreich vorbereitet hatten.
Es war ein in der Vorbereitung wahnsinnig anstrengender Tag, aber der Verlauf, das Echo von den Beteiligten und der Schüler*innen zeigten doch, dass sich der ganze Aufwand richtig gelohnt hatte. Dass der Glaube als Diskussionsthema privat und öffentlich, ganz offen oder verdeckt omnipräsent ist, zeigte – und mit diesem Filmtipp möchte ich schließen – kürzlich während der Osterfeiertage die dreiteilige Dokureihe mit Christoper Clark im ZDF: „Macht der Götter – Weltgeschichte der Religionen: Der göttliche Funke – Wie entstand der Glaube?“. Vielleicht haben die Teilnehmer des Thementages und/oder der ein oder andere Leser dieses Artikels Interesse und Zeit, diese wirklich lohnenswerte und wunderschön bebilderte Doku in der Mediathek als Ergänzung zu unserem großen Thementag nachzuhören.
Denn: Je mehr man über den Glauben bzw. die verschiedenen Religionen weiß, desto offener und toleranter kann man Menschen anderen Glaubens oder ohne Glauben begegnen, desto leichter ist ein vorurteilsfreies Zusammenleben ohne Diskriminierung, Mobbing und Gewalt möglich. Das sollte unser aller Ziel sein.
Maria Gerteisz, M.A.
Lehrerin für PuG und Französisch
Das Thema „Glaube“ drängte sich aus mehreren Gründen auf:
- Zum einen und primär haben wir in unseren Klassen viele Schüler*innen aus Familien mit Migrationshintergrund, so dass an unserer Schule fast alle existierenden Glaubensüberzeugungen zu finden sind;
- zum anderen zeigt uns ein Blick auf die Gesellschaft und das Weltgeschehen, dass der Glaube immer wieder zu vielen Konflikten führt;
- und schließlich beschäftigt irgendwie jeden einzelnen von uns dieses Thema, egal ob und an wen oder was er glaubt oder nicht.
Mit seinem wissenschaftlichen und gleichzeitig sehr anschaulichen Vortrag zu dem fesselnden, aber alles andere als einfach zu fassenden Thema „Woran glaube ich? Woran glauben wir? – Über die Vielfalt (nicht-)religiöser Erfahrungen, Überzeugungen und Erscheinungen“ weckte er das Interesse nicht nur der Schüler*innen, sondern auch der Lehrer*innen.
Der Glaube hat viele Philosophen beschäftigt und zu unzählig lesenswerten Büchern animiert. Glaube ist nicht Wissen, er steht immer in einem Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Vernunft. Dennoch ist er für viele und vieles wichtig. So kann er Trost spenden, für ein gelingendes soziales Miteinander sorgen, politische Macht rechtfertigen und stabilisieren – in der Vergangenheit, aber auch in der Gegenwart. Der Glaube ist nicht beweisbar, er kann Armut, Bosheit und Grausamkeit nicht erklären und dennoch ist sein Einfluss ungebrochen.
Mit Blick auf die Landkarte verwies Prof. Hidalgo auf ein besonderes Phänomen: Konnte man seit den 1960er Jahren zunehmend eine Dualität zwischen einem säkularen Europa und der religiösen restlichen Welt feststellen, einen „Sonderfall Europa“ konstatieren, in dem die Religion, also primär das Christentum im Verschwinden war, viele Gläubige aus der Kirche austraten und Verbleibende in der Kirche als „Taufscheinchristen“ durchs Leben gingen, so kann man seit 9/11 eine Rückkehr der Religion bemerken, vor allem ein Erstarken jüdisch orthodoxer oder (fundamentalisitscher) islamischer Glaubensgemeinschaften, die infolge der Migrationsbewegungen auf Grund von Kriegen im Nahen Osten nach Europa gelangten und sich hier zum Teil unfassbar konfliktreich manifestierten.
Dieses Phänomen erforderte eine Neubewertung von Staat und Gesellschaft in ihrer Haltung zur Religion, denn jetzt lebe man, so der Philosoph Jürgen Habermas in einer „post-säkularen Gesellschaft“. Auch dazu gibt es viele hochinteressante Bücher, deutsche, französische, amerikanische, die Prof. Hidalgo zitierte und thesenförmig zusammenfasste. Für die Bundesrepublik Deutschland gilt die weltanschauliche Neutralität des Staates als Bekenntnis zu Freiheit und Pluralismus, es soll die Vielfalt der Religionen respektiert und Religionsgemeinschaften als Kooperationspartner herangezogen werden.
Anders formuliert: Wertfrei leben wir nicht, denn in der Präambel des GG findet sich der normative Bezug zu Gott, aber jeder kann glauben, was der will, Art. 4 GG sichert jedem die Glaubens- und Gewissensfreiheit zu und wenn wir es schaffen, tolerant und auf Augenhöhe miteinander umzugehen, dann ist es möglich, nicht nur in Frieden zu leben, sondern wertvolle Impulse für das Zusammenleben in Vielfalt zu setzen.
Nach diesem konzentrierten und sehr dichten Vortrag, der viele Anregungen und Impulse zum Weiterdenken und Weiterlesen bot, folgten die vielfältigen und altersgerecht aufbereiteten Themen-Workshops für alle Klassen, die die überaus sympathischen und engagierten Student*innen sehr, sehr gründlich und ideenreich vorbereitet hatten.
- So beschäftigten sich die 5. und 6. Klassen mit den religiösen Festen in Christentum, Judentum und Islam,
- die 7. und 8. Klassen mit der Bedeutung religiöser und säkularer Glaubensüberzeugungen,
- die 9. und 10. Klassen mit einem Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich, einem strikt laizistischen Staat, wobei hier der Fokus auf die Unterschiede im Schulsystem gerichtet war.
- Für die 9. und 10. Klassen kam Terry Swartzberg, ein amerikanischer Journalist und „Wahlmünchner“, an die Schule, um den Schüler*innenn Wissenswertes und Unterhaltsames über das jüdische Leben zu erzählen. Er ist in der Öffentlichkeit vor allem durch seine zahlreichen Aktivitäten gegen das Vergessen der Verbrechen gegen die Juden während der Nazi-Diktatur bekannt, seinen regelmäßigen und vielfältigen Stolperstein-Aktionen sowie seinen Einladungen zu jüdischen Festen und Feierlichkeiten.
- Für die 5. und 8. Klassen gab es einen Workshop mit internationaler Musik, den Franz Himpsel, der Leiter der Unterbiberger Hofmusiker gestaltete. Er zeigte Filmausschnitte von den vielbejubelten Auftritten seiner „Familienband“ bei uns, in der Türkei und vielen anderen Orten der Welt.
- Für die 6. und 7. Klassen gab es einen Workshop „Internationale Küche“, denn auch für das leibliche Wohl musste gesorgt werden. Alles, was die Schüler*innen hier in den Töpfen gezaubert hatten, wurde mittags als kleines Buffet angeboten.
Es war ein in der Vorbereitung wahnsinnig anstrengender Tag, aber der Verlauf, das Echo von den Beteiligten und der Schüler*innen zeigten doch, dass sich der ganze Aufwand richtig gelohnt hatte. Dass der Glaube als Diskussionsthema privat und öffentlich, ganz offen oder verdeckt omnipräsent ist, zeigte – und mit diesem Filmtipp möchte ich schließen – kürzlich während der Osterfeiertage die dreiteilige Dokureihe mit Christoper Clark im ZDF: „Macht der Götter – Weltgeschichte der Religionen: Der göttliche Funke – Wie entstand der Glaube?“. Vielleicht haben die Teilnehmer des Thementages und/oder der ein oder andere Leser dieses Artikels Interesse und Zeit, diese wirklich lohnenswerte und wunderschön bebilderte Doku in der Mediathek als Ergänzung zu unserem großen Thementag nachzuhören.
Denn: Je mehr man über den Glauben bzw. die verschiedenen Religionen weiß, desto offener und toleranter kann man Menschen anderen Glaubens oder ohne Glauben begegnen, desto leichter ist ein vorurteilsfreies Zusammenleben ohne Diskriminierung, Mobbing und Gewalt möglich. Das sollte unser aller Ziel sein.
Maria Gerteisz, M.A.
Lehrerin für PuG und Französisch