Die Klasse 10 c auf den Spuren von Simone de Beauvoir und der französischen Filmwelt
Die Klasse 10 c auf den Spuren von Simone de Beauvoir und der französischen Filmwelt
Einen richtig interessanten französischen Tag außerhalb des Klassenzimmers zu erleben, in das geistige und kulturelle Leben Frankreichs mitten in München einzutauchen, das gelang der Klasse 10 c gemeinsam mit ihren Lehrerinnen Anja Pfeng und Maria Gerteisz.
Die Ausstellung über Simone de Beauvoir im Literaturhaus am Salvatorplatz gleich gegenüber dem Kultusministeriums war unser erstes Ziel des Tages. Und welch eine fantastische Ausstellung durften wir da erleben! Vor uns erstand das intellektuelle Leben des 20. Jahrhunderts in Frankreich, vor allem in Paris, in dessen Zentrum Simone de Beauvoir (1908 – 1986) und ihr Lebensgefährte Jean Paul Sartre (1905 – 1980) zu finden waren. Die Literaturwissenschaftlerin Claire Schleeger vom Institut für Romanistik an der LMU führte uns durch die Ausstellung und brachte den Schüler*innen mit viel Begeisterung und einem lebendigem Vortrag die große Schriftstellerin, Philosophin und Frauenrechtlerin Simone de Beauvoir näher. Wir erfuhren viele Details zunächst aus ihrer Kindheits-, Jugend- und Studienzeit sowie ihrem Philosophiestudium zum Gymnasiallehramt. Während ihres Philosophiestudiums lernte sie alle großen Namen des französischen Geistesleben kennen, deren Diskussionen und Richtungsstreitigkeiten sie in ihrem Buch „Les Mandarins“ in Romanform festhielt. Simone de Beauvoir schrieb unglaublich viel; ihre Romane spiegelten fast immer ihr eigenes Leben. Ihre Ansichten über die Freiheiten und die Stellung der Frau waren zu dieser Zeit äußerst mutig und richtig revolutionär. Bereits der berühmte „Pakt“ mit Sartre, in dem beide ihr ganz besonderes Zusammenleben beschlossen, war mehr als außergewöhnlich. Sie war 21 Jahre, er 24, als beide auf einer steinernen Bank im Jardin du Carrousel (Seitenflügel des Louvre) einander schworen, sie würden immer in Liebe und Geist verbunden bleiben, immer füreinander da sein, doch keine Ehe im bürgerlichen Sinne eingehen. Jeder sollte seine Freiheit bewahren, d. h. andere Liebesbeziehungen eingehen dürfen, jeder hatte seine eigene Wohnung, d. h. sie würden nie zusammenziehen, jeder lebte unabhängig und frei, doch sie wollten sich immer offen die Wahrheit über alles, d. h. auch ihre jeweiligen Liebesbeziehungen und Affären sagen.
„On ne naît pas femme: on le devient.“ Dieser Satz stand zentral und mittig in der Ausstellung, gemeinsam mit der Erstausgabe des zweibändigen Bandes „Le deuxième sexe“, in dem genau dieser berühmte Satz den zweiten Band eröffnete. Dieses Werk sorgte bei seinem Erscheinen 1949 für unglaubliche Furore, es löste ein gesellschaftliches Erdbeben aus, zerstörte Freundschaften, es war unvorstellbar, mit welcher Schärfe und Unversöhnlichkeit die Auseinandersetzungen um die Rolle der Frau und des Mannes ausgefochten wurden. Plötzlich sollte die Frau gleichberechtigt sein, für jeden Mann, der etwas auf sich hielt, eine Kampfansage.
Die Erstausgaben dieses umstrittenen Werkes in den verschiedensten Ländern der Welt standen aufgereiht an einer weiteren Wand. Interessant war hier vor allem die Gestaltung der Cover der Bücher, die je nach politischer Lage eben ganz anders ausfiel.
Simone de Beauvoir schrieb und arbeitete vor allem in den Pariser Cafés, eines der berühmtesten war das Café de Flore. Diese Atmosphäre evozierten die großformatigen Bilder an der Wand des Literaturhauses, aber auch die Caféhausstühle mit kleinen Tischen in der Mitte der Ausstellung, die zum Sitzen, Blättern, Lesen und Nachdenken einluden.
Eine weitere Wand widmete sich Simone de Bauvoir als Vorreiterin der Frauenbewegung. Wir erfuhren ihre anfangs etwas zurückhaltende Form der Zusammenarbeit mit Alice Schwarzer, die sie zum ersten Mal in der Wohnung von Sartre antraf. Simone de Beauvoir kämpfte für alle Frauen, ob jung oder alt, arm oder reich, für alle Anliegen, gegen Missbrauch, für Abtreibung, für die Rechte von Prostituierten. Sie konnte sich aufgrund ihres hohen Ansehens in der Gesellschaft viele mutige Äußerungen und Taten erlauben, die andere in große Schwierigkeiten gebracht hätten. Sie nutzte ihre „Unantastbarkeit“ für die Befreiung der Frau aus allen familiären, politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Zwängen. Frauen sollten überall auf der Welt die gleichen Rechte wie Männer haben. Das war und ist immer noch nicht selbstverständlich.
Die letzte Etappe der Ausstellung war eine riesige Post-It-Sammlung an der Wand. Jeder Besucher konnte auf pinken Post-Its eine Notiz schreiben und an die Wand heften – und die 10 c machte davon ausgiebig Gebrauch. Die Ausstellung hatte sie inspiriert.
Im Anschluss an die Ausstellung ging es ein paar Schritte weiter ins Theatiner-Kino, wo wir eine Schulvorstellung zu dem Film „Les passagers de la nuit“ von Mikhael Hers bekamen. Im Zentrum dieses Films stehen vor allem Frauen ganz verschiedenen Typs: Elisabeth, gespielt von Charlotte Gainsbourg, fragil, zerbrechlich und mutig zugleich, als Mutter, die von ihrem Mann verlassen wurde, Brustkrebs hatte und plötzlich auf eigenen Füßen stehen muss; Talulah, ein freigeistiger, haltloser, suchender und drogenabhängiger Teenager, den Elisabeth vorübergehend in ihre Familie aufnimmt, etc. Es ist ein melancholischer Film, er spielt im Paris der 80er Jahre, eine Film ohne große, spektakuläre „Action“, stattdessen werden die Probleme des Alltags gezeigt, es gibt keine großen Heroen, nein, es sind die kleinen Heldentaten, von denen niemand etwas mitbekommt und die doch das Leben erst erträglich und lebenswert machen. Hers formuliert es so: „Meine Figuren lieben sich. Sie helfen sich gegenseitig, passen aufeinander auf.“ – es gibt wohl kaum eine schönere Einstellung zum Leben. Und unsere Schüler*innen ließen sich von dieser traurig-schön plätschernden Atmosphäre gefangennehmen. Der Film zauberte immer gleichzeitig Tränen und ein Lächeln ins Gesicht, das Leben ist oft voller Tragödien und doch kann man es leise und liebevoll bewältigen, wenn man einander hilft, ohne Hintergedanken. „Bleiben wird das, was wir für andere waren.“ – auch so lässt sich der Film passend und gut zusammenfassen.
All die Eindrücke ließen wir dann in dem Café „La brioche dorée“ nochmals Revue passieren und wir waren uns einig, dass wir einen wundervollen Tag mit unglaublich vielen bleibenden Eindrücken erlebt haben. Lena und Mina meinten: „Uns hat der Tag sehr gut gefallen, weil wir so unglaublich viel Neues gelernt haben.“ Ezgi fügte an: „Es hat einfach viel Spaß gemacht, mit der ganzen Klasse einen französischen Tag zu erleben!“ Und Defne führte aus: „Die Ausstellung war sehr schön, sie war so kreativ angelegt, die Notizzettel waren eine geniale Idee. Das Kino hat einen ästhetischen „vibe“, es war ein schönes Gefühl, mit der Klasse alleine dort zu sein.“ Und als riesengroßer Fan von Charlotte Gainsbourg entpuppte sich Emil. Er kennt die wichtigsten Filme von ihr und ist begeistert von den 80ern. Und wirklich alle Schüler*innen würden gerne nochmals so einen Tag erleben – von unserer Lehrerinnen-Seite aus gesehen natürlich auch sehr gerne!
Maria Gerteisz, M.A.,
StRin (RS)